"Warum immer ich, warum nicht sie?"

16. Juni 2025

Max lag am Abend auf der Couch und schaute auf seinem Handy Videos über Chemie, um sich für die Probe vorzubereiten. Es war schon nach neun und er war müde. Plötzlich kam seine kleine Schwester Anna die Treppe runter, ging ins Esszimmer und setzte sich mit ihrem Handy an den Tisch und spielte irgendwelche Videospiele. Kurz darauf rief sein Vater aus dem Schlafzimmer: „Max, geh ins Bett!“ 

Max war verwundert. „Wieso ich? Anna ist doch auch noch wach!“, rief er zurück. „Es ist doch egal wer zuerst geht“, sagte sein Vater. Max ärgerte sich. Als er zwölf war, musste er immer schon um acht ins Bett gehen, ohne Diskussion. Jetzt durfte Anna einfach länger aufbleiben. Genervt ging er trotzdem hoch, und legte sich ins Bett. 

Am nächsten Morgen kam Max runter zum Frühstück. Anna saß schon da, ihr Handy in der Hand, und schaute irgendwelche Videos. Max erinnerte sich, dass er früher nie beim Frühstück das Handy benutzen durfte. Jetzt schien das niemanden mehr zu stören. Max störte das jedoch, denn er würde gern mehr Zeit mit seiner Familie verbringen, vor allem mit seiner kleinen Schwester. Max wollte heute eigentlich mit seiner Familie in der Aare schwimmen gehen. 

Doch jetzt erzählte Anna auch noch, dass sie sich heute mit ihrer Freundin treffen würde. Max erinnerte sie an den Deutschtest am Montag, der ziemlich schwierig werden sollte. Die Eltern wussten davon, sagten aber nur: „Sei um fünf zuhause, dann kannst du noch lernen.“ Max fand das ungerecht „Müsste sie nicht zuerst lernen, bevor sie rausgeht?“ Seine Eltern sagten einfach: „Sie hat noch genug Zeit.“ 

Anna fragte noch, ob sie etwas Geld für die Migros bekomme. Die Mutter holte, ohne zu zögern, ein paar Franken aus der Tasche. Max war sauer. „Ich krieg nie einfach so Geld, ich muss alles von meinem Taschengeld kaufen!“  

„Du bist älter“, meinte der Vater, „du kannst besser damit umgehen.“ Max verstand nichts mehr. Für ihn hatten früher viel strengere Regeln gegolten und jetzt war alles auf einmal lockerer, aber nur für Anna. 

Abends lag Max wieder auf der Couch. Seine Mutter sah ihn dasitzen und sagte: „Schon wieder am Handy? Du solltest nicht so viel Zeit damit verbringen.“ Max schaute auf. „Aber Anna hängt doch auch den ganzen Tag dran!“  „Das stimmt nicht, außerdem geht’s hier um dich“, sagte sie streng. Max schluckte. „Als ich so alt war wie sie, durfte ich höchstens eine Stunde am Tag. Jetzt ist sie fast den ganzen Nachmittag dran, und es sagt keiner was.“ „Es ist egal, wie es bei ihr ist, du sollst dich einfach an deine Regeln halten“, sagte die Mutter. 

Beim Abendessen meinte sie dann: „Max, kannst du bitte beim Abräumen helfen?“ Max stand auf fing an die Teller zusammen zu räumen. Anna wollte gerade gehen.  „Sie soll auch helfen!“, sagte Max. Die Mutter seufzte und rief Anna zurück. Sie kam zwar, half dann aber fast nicht. Max hätte sich gewünscht, dass alle geholfen hätten und sie danach zusammen ein Spiel gespielt hätten. Als er Anna fragte, ob sie Lust hätte ein Spiel zu spielen meinte diese nur: „Nö, kein Bock”, und lief in ihr Zimmer. Später fragte er seinen Vater: „Wieso darf Anna eigentlich alles und ich nix?“  Der Vater antwortete: „Weil wir ehrlich gesagt keine Lust mehr haben, euch beide ständig zu kontrollieren. Und weil es für sie auch unfair wäre, wenn du mehr darfst als sie.“  Max dachte kurz nach. Den ersten Punkt konnte er verstehen, aber den zweiten nicht. „Ich durfte damals auch nicht mehr“, sagte er.  

„Geh schlafen“, meinte sein Vater nur. Max ging in sein Zimmer und ging schlafen. Am nächsten Morgen kam Max runter ins Esszimmer. Anna war zwar wieder am Handy aber als er sich hinsetzte, sagte sein Vater Anna ausdrücklich sie solle ihr Handy weglegen. Max dachte zuerst er habe sich verhört, doch dann war er fröhlich, denn es fühlte sich wie ein kleiner Sieg über seine Schwester an. Er dachte sich es wäre zwar keine Lösung aber ein Anfang.